Leipzig Max Klinger – Venus im Muschelwagen

Donnerstag 06. Mai 2021 —
Samstag 15. Mai 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Galerie Irrgang,

gemeinsam mit Kunkel Fine Art präsentieren wir vom 6.-15. Mai 2021 in unseren Leipziger Räumlichkeiten eines der letzten malerischen Hauptwerke Max Klingers in Privatbesitz. In einer kühnen Längskomposition zeigt das 1912 entstandene Bild »Venus im Muschelwagen« die Göttin der Liebe und ihr Gefolge auf offenem Meer. An die ikonografische Tradition der Renaissance und des Barocks anknüpfend, vermag es Klinger mit seiner impressionistischen Malweise einen Bogen zu seiner Gegenwart zu spannen und ein flimmerndes Farbenspiel zu erzeugen. Die Erstfassung dieses Gemäldes, heute im Besitz der Berliner Nationalgalerie, stammt aus dem Vestibül der Villa Albers bei Berlin, für die Klinger Anfang der 1880er Jahre ein umfangreiches Bildprogramm schuf.

Eine Besichtigung der Ausstellung ist unter den bekannten Hygienevorkehrungen und nur nach Terminvereinbarung möglich! Wir bitten Sie deshalb um vorherige Anmeldung, telefonisch unter +49 157 92382151 oder online auf www.galerie-irrgang.com/terminbuchung.

Wir freuen uns sehr auf Ihr Kommen!
Ihre Hannah Becker, Dirk Bolmerg, Alexander Kunkel, Alfons Nagel und Tobias Wachter

 

 

Auf zu neuen Ufern
Zu den Schlüsselwerken der Epoche zählt das von Max Klinger zu Beginn der 1880er Jahre gestaltete Bildpro-gramm für das Vestibül der Villa Albers in Berlin. Das als erstes Gesamtkunstwerk  auf  deutschem  Boden  geltende  Ensemble  wurde  bereits  wenige  Jahre  nach  seiner  Entstehung von den Erben des Auftraggebers an die Berliner Nationalgalerie, die Hamburger Kunsthalle sowie das Museum  der  Bildenden  Künste  in  Leipzig verkauft.
Knapp drei Jahrzehnte  später schuf  Klinger  im  Zuge  der  Grossen  Kunstausstellung Dresden 1912 eine zweite Fassung des Vestibüls der Villa Albers. Während der Künstler die Gemälde  mit  Landschaftsmotiven  im  unteren  Bereich  veränderte,  behielt er die Konzeption der darüber liegenden  Gemälde  bei.  Sie  bilden  einen umlaufenden Meeresfries, der die Bedeutung des Elementes Was-ser  als  Ursprung  allen  Lebens  verdeutlicht  und  durch  mythologische  Wesen in einen überzeitlichen Kontext setzt. Zugleich bildet er den Abschluss des feierlichen Ensembles. Im  Mittelpunkt  des  Meeresfrieses  stand  das  Gemälde  Venus  im Muschelwagen  (Erstfassung  im  Besitz  der   Berliner   Nationalgalerie).   Die   kühne  Längskomposition  zeigt  die  Göttin der Liebe und ihr Gefolge auf offenem Meer und knüpft ikonographisch  an  Traditionen  der  Renaissance  und  des  Barock  an.  Klingers  impressionistische Malweise schlägt indes  den  Bogen  in  die  Gegenwart  und macht das Werk zu einem flimmernden Farbenfest. Zusätzliche Dynamik  verleiht  der  Künstler  der  Szene durch die in den Lüften gleitenden  Möwen,  das  vom  Wind  gespannte  Segel  sowie  die  den  Wagen  ziehenden  Hippokampen.  Das  lebensbejahende Vergnügen der Figuren überträgt sich unmittelbar auf den  Betrachter,  der  mit  dem  heiteren  Zug  in  unendliche  Weiten  und  damit in grenzenlose Freiheit aufzubrechen meint.

Reise einer Liebesgöttin
Mit  seinen  gleichermaßen  geheimnisvollen wie anspielungsreichen Werken sprach Klinger vor allem das Bildungsbürgertum an. Gerade unter den vermögenden Vertretern dieser  Schicht  gehörte  es  zum  guten Ton,  sich  durch  den  Aufbau  erlesener Kunstsammlungen ästhetisierte  Gegenwelten  zu  schaffen,  die  zugleich  die  eigene gesellschaftliche  Stellung nach außen hin  demonstrier ten.  Vor  diesem  Hintergrund  verwundert  es  nicht,  dass  der  in  den  persönlichen Adelsstand erhobene Leipziger Großindustrielle Paul von Bleichert zu Klingers   wichtigsten   Sammlern  zählte.  Fünf  Jahre  nach  der Grossen Kunstausstellung Dresden 1912 erwarb er vom Künstler en bloc die Zweitfassung des Vestibüls der Villa Albers für die astronomisch hohe  Summe  von  145.000.-  Reichsmark.  Für  die  adäquate  Installation  des Ensembles könnte von Bleichert die  Errichtung  eines  eigenen  Pavillons  auf  seinem  Land-gut  in  Klinga  nahe  Leipzig geplant haben, da  selbst  seine  imposante Villa in Leipzig nicht genügend Platz bot, um den Zyklus zu beherbergen. Die   wirtschaftlichen   Turbulenzen   der  1920er  Jahre  infolge  des  verlorenen  Ersten  Weltkrieges  verhinderten   allerdings   die Ausführung von derlei Plänen. 1929 musste Paul von Bleichert zur Abwendung eines Konkurses seiner  Firma  seine  gleichermaßen umfangreiche wie kostbare   Kunstsammlung   versteigern   lassen,  wodurch  Klingers  Gemälde  in alle Winde zerstreut wurden. Über  Berlin  gelangte  die  Venus  im  Muschelwagen  nach  München,  wo  sie  1964  im  Rahmen  der  epochalen  Ausstellung Secession. Europäische Kunst um die Jahrhundertwende im Haus der Kunst gezeigt wurde. Danach befand sie sich Jahrzehnte in der Sammlung   des   Jugendstil-Sammlers  Professor  Kurt  Liebermeister.  Wohin mag wohl die nächste Reise der schönen Liebesgöttin führen?

(Text: A. Kunkel)