Berlin Impressionismus – Jugendstil – Expressionismus: Margarete Gerhardts Reigen der Stile
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde unseres Kunst- und Grafikhandels Irrgang Fine Arts,
wir laden Sie und Ihre Begleitung ab dem 7. Juni 2024 ganz herzlich zum Besuch der Ausstellung „Impressionismus – Jugendstil – Expressionismus: Margarete Gerhardts Reigen der Stile“ in unsere Berliner Räumlichkeiten ein.
Mit herzlichem Gruß
Ihr Tobias Wachter
Eröffnung am 7. Juni 2024 um 17 Uhr
Friedrichstraße 232, 10969 Berlin
Lina Elisabeth Margarete Gerhardt (1873–1955) ist eine von vielen Künstlerinnen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, über deren Leben und Schaffen wenig bekannt ist. Umso mehr sind die in unserer kommenden Ausstellung gezeigten Arbeiten, darunter mehrere Linolschnitte, ein Zeugnis ihrer künstlerischen Tätigkeit.
Margarete Gerhardt erhielt ihre Ausbildung bei Dora Hitz in der 1894 gegründeten Damenmalschule in Berlin und war nicht nur langjähriges Mitglied, sondern von 1933 bis 1936 auch im Vorstand des seit 1867 bestehenden Vereins der Berliner Künstlerinnen. Da Frauen im 19. Jahrhundert nicht zu Kunstakademien zugelassen waren, bot der Verein unter anderem die Möglichkeit zu regelmäßigen Ausstellungen. Margarete Gerhardt zeigte dort bis 1942 jedes Jahr ihre Arbeiten. Dies war auch zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges entscheidend, um sich als Künstlerin über Werksverkäufe Einnahmen zu sichern. Zudem war sie wiederholt auf der Großen Berliner Kunstausstellung vertreten.
Durch Dora Hitz wurde die Künstlerin maßgeblich vom Impressionismus beeinflusst. Von 1895 bis 1897 lernte sie dann bei dem Historienmaler Ernst Wilhelm Müller-Schönefeld die Portraitmalerei. Der Grafiker und Drucker Hermann Struck weckte bei Margarete Gerhardt schließlich das Interesse am Medium der Druckgrafik. All diese Einflüsse übersetzte die Künstlerin gekonnt in ihre druckgrafischen und malerischen Werke und tarierte die Optionen der diversen Techniken für die Stile rund um die Jahrhundertwende aus. So finden sich in der Ausstellung neben Portraits von Familienmitgliedern auch Werke im impressionistischen, teils beinahe pointillistischen Stil, wie der Farblinolschnitt eines kleinen Häuschens an einer baumbestandenen Allee. In einem Aquarell lebt der französische Impressionismus in einer Straßenszene mit Zeitungsjungen und den Spiegelungen der Figuren auf der regennassen Straße auf. Farblinolschnitte mit zwei schwimmenden Schwänen oder einer eleganten Vase mit herabhängendem Efeu sind klar im Jugendstil verhaftet.
In dem Farblinolschnitt „Gehöft“ wird die Modernität Gerhardts augenfällig: eine expressionistische Farbwahl ist kombiniert mit flächig geschnittenen Formen. Violett grenzt an Gelb, Rotbraun an Grün – die Komplementärfarben setzen starke und prägnante Akzente. Der Aufbruch vom gerade in seiner Farbe noch stark naturalistischen Jugendstil steht hier am direkten Übergang zum Expressionismus und gar in Ansätzen einer modern abstrakten Bildsprache. Mutig gibt die Künstlerin der Fläche und damit der Farbe Raum: das große Dach ohne Fenster, der blaugrüne Himmel links oben, der sonnige Boden, die Hauswände und der Schattenwurf. Das lieblich Geschmeidige des Jugendstils fehlt sowohl formal als auch motivisch. Schwäne, Segelboote und Kiefern weichen einem namenlosen Bauwerk und einer Alltagsszenerie, in der die Figuren in keinem kompositorischen Zusammenhang miteinander stehen, sondern ihrer Wege gehen.
Auf Studienreisen nach 1911/1912, die Margarete Gerhardt nach Frankreich, Italien, in die Schweiz, nach Holland und Nordafrika und teilweise zusammen mit Dora Hitz unternahm, fand die Künstlerin ihre Motive. Naturalistische Landschaftsaquarelle der Alpen, Farblithografien von Felsen der Faraglioni vor Capri oder Ölgemälde vom Treiben auf dem Markusplatz in Venedig bei abendlichem Sonnenlicht sind daraus entstanden.
Die Künstlerin heiratete nie und lebte mit ihrer Schwester Eleonore Gerhardt zusammen in Berlin Wilmersdorf, die bis zu ihrem Tod 1944 den gemeinsamen Haushalt führte. Solche Bedingungen boten der Künstlerin wohl eine Freiheit in der Ausübung ihrer Kunst, wie sie vielen ihrer Zeitgenossinnen verwehrt blieb.
(Text: Anica Piontek)