Leipzig Karl Krug und Folgen – „Was macht er denn da?“

Mit Andreas Wachter Bernhard Heisig Madeleine Heublein Michael Morgner Ulrich Hachulla Volker Stelzmann

Samstag 10. Februar 2018 —
Sonntag 18. März 2018

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie freuen uns sehr, Sie und Ihre Freunde zur Eröffnung unserer Ausstellung Karl Krug und Folgen – „Was macht er denn da?“
am 09. Februar 2018 um 19.30 Uhr in die Räumlichkeiten der Galerie Irrgang nach Leipzig einladen zu dürfen.

Neben Bildern des Leipziger Künstlers und Hochschullehrers Karl Krug (1900-1983) zeigen wir Arbeiten einiger ehemaliger Schüler*innen darunter:

Christine Ebersbach, Sieghard Gille, Ulrich Hachulla, Bernhard Heisig, Madeleine Heublein, Reinhard Minkewitz, Michael Morgner, Gerhard Kurt Müller, Rolf Münzner, Tanja Pohl, Thomas Ranft, Peter Schnürpel, Volker Stelzmann, Andreas Wachter und Susanne Werdin.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Mit herzlichen Grüßen
Dirk Bolmerg und Hieronymus Wachter

 

Karl Krug, Dorfstraße in Schönau, 65,5x100 cm, Öl auf Leinwand

Karl Krug, Dorfstraße in Schönau, 65,5×100 cm, Öl auf Leinwand

 

Karl Krug: Künstler und Vermittler

Karl Krug wurde 1900 in Leipzig geboren und entwickelte sich im Laufe seines Lebens als Künstler und Lehrer zu einer wichtigen Person der Leipziger Kunstlandschaft. Hauptsächlich bekannt durch sein Spätwerk sind es vorrangig Landschaftsdarstellungen in Grafik und Malerei, die mit seinem Namen in Verbindung gebracht werden. Seine Erfahrungen aus zwei Weltkriegen und vielen Stunden in künstlerischer Arbeit vermittelte er als Lehrer und Werkstattleiter an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst auf eine Weise, dass sein Name noch heute mit der Hochschule assoziiert wird. Öffentlich machte er sein Leben nie, seine Arbeit war umso prägender.

Das Zeichnen begleitete ihn von seiner ersten Ausbildung an: Bis er 1918 für kaum ein Jahr eingezogen wurde, war er in der Lehre als Maschinenzeichner in Leipzig. 1921 beginnt er bei der damals noch Staatliche Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe genannten Kunsthochschule in Leipzig eine Ausbildung. Er bleibt hier bis 1931. Sein erster erhaltener Kupferstich, ein Wappen vor dem Hintergrund einer Landschaft und der Beginn des intensiven Umgangs mit dem Medium, ist auf 1928 datiert. Eine Zeit, zu der Krug noch Bildhauer werden wollte. Nach finanziellen Durststrecken, über die ihn diverse Stipendien, u.a. 1930, sowie danach 1933 und 1935 das Ernst-Keil-Stipendium, hinweghalfen, folgten Förderung durch Mäzen, wie Jan Heini Möbius. Dies leitete zu weiteren Aufträgen, bei welchen das Element Wappen sowie kaligraphische und symbolische Verzierungen wiederholt auftraten. Diese frühen Wiederholungen unterschiedlicher, teils dekorativer Elemente führte wohl auch zu Krugs späterer Kunstfertigkeit bei der Ausübung des Kupferstichs.

Während der Erste Weltkrieg kaum deutliche Spuren hinterließ, so war es insbesondere der Zweite Weltkrieg, welcher drastische Folgen für Krug und seine Rezeption als Künstler hatte: 1939 einberufen, wurde er 1941 nach Norwegen abkommandiert, wo er den Krieg erlebte. Erst 1947 kehrte er aus der Kriegsgefangenschaft zurück nach Leipzig. Der Großteil der bis dahin entstandenen Werke wurde in den letzten Kriegsjahren mit seinem Atelier durch Bombenangriffe zerstört. Die von ihm in Norwegen geschaffenen und zuletzt selbst versandten 40 Gemälde und Zeichnungen kamen nie in Leipzig an. Dieser Verlust seiner Arbeiten zwang ihn in der Zeit des politischen Umbruchs der Nachkriegsjahre, der Errichtung der SED-Diktatur und der Gründung der DDR, zu einem künstlerischen Neuanfang. Krug blieb bei der Kunst und in der Stadt Leipzig. Arbeit fand er als Werkstattgehilfe bei einem Leipziger Kunstschmied. In dieser Zeit bekam Karl Krug 1950 die Möglichkeit, an der Hochschule für Grafik und Buchkunst ein Lehrangebot wahrzunehmen und übernahm 1951 die Lehrtätigkeit und Werkstattleitung für Radierung und Kupferstich. Hier begann seine am häufigsten rezipierte Schaffensphase. Durch den unbegrenzten Zugang an Material vertiefte sich der Künstler merklich in die Technik der Druckgraphik. Zunehmend fertigte er Radierungen an. Aus Kombinationen von Aquatinta-, Kaltnadel- und Ätztechnik schuf er Arbeiten mit versierten, aber zurückhaltendem Ausdruck, der nur durch jahrelange Übung erreicht werden kann. Mit seiner stetig wachsenden Kenntnis des Materials und der Freude an seiner Lehrtätigkeit wurde er von den Studierenden sowie Lehrenden geschätzt und respektiert.

Andererseits konnte auch er sich dem politischen Handlungskontext in der DDR nicht entziehen. Die SED-Kulturpolitik bevorzugte heroische, figurative Darstellungen in einem realistischen sowie sozialistischen Kontext. Karl Krug hat diesen Stil in seiner Arbeit nie bedient. Vielmehr konzentrierte er sich in der folgenden Zeit auf die Ausarbeitung menschenleerer Motive. Bewegt von der Entwicklung Leipzigs hält er 1950 nüchtern und malerisch seinen Blick auf den Zustand der Bausubstanz der Stadt nach dem Krieg fest. Ungeschönt und dunkel gehalten zeigt Krug die klaffenden Risse im Gewandhaus und malt den Abriss der Leipziger Oper inmitten von Schutt vor monochromen blauem Himmel. Die Arbeiten geben eine Vorstellung von den Gefühlswelten Krugs, ohne dass sie öffentlichkeitswirksam provozieren noch in Konflikt mit den politischen Vorgaben geraten. Möglicherweise handelt es sich dabei bereits um eine Art innere Emigration. Auf jeden Fall diente dieser Kunstgriff als wirksamer Schutz vor einer weiteren Begrenzung seines künstlerischen Schaffens durch politische Instanzen, ohne die Substanz seiner Kunst preiszugeben. Diese Gemälde sowie spätere, welche Ansichten auf das mittlerweile eingemeindete Dorf Schönau festhalten, machen Krug zu einem Chronisten der Stadt Leipzig. Ab 1970 wird in Malerei sowie Grafik die Landschaft sein Hauptmotiv und favorisierter Ausdruck, was ihn letztlich fast vollständig vom Radar der staatlichen Kulturpolitik nimmt.

Als Dozent an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, und somit im Zentrum der Leipziger Schule und unter dessen Einfluss, blieb Krug auch hier bei seinem Werk und folgte einmal mehr dem Ausdruck der eigenen Stimmungswelt durch Landschaftsdarstellungen.

Trotz des äußeren Zwangs seines Aufenthalts haben Karl Krug seine norwegischen Jahre im Zweiten Weltkrieg künstlerisch stark geprägt. Wiederholt treten die weiten, kargen Landschaften, die menschenleeren Wälder und skandinavischen Lichtverhältnisse in seinen Arbeiten auf. Neben diversen Bildwerken, Grafiken und Gemälden, die im Titel direkt auf das Land verweisen, sind es auch die Reduktion der Bildbestandteile und Ruhe im Bildraum, die sich in Krugs Schaffen einprägen.

Die gegenseitige Beeinflussung von Malerei und Grafik zeigt sich bei Krugs Wiederholungen von Elementen zum einen in seinen späten Malereien, die eine grafisch anmutende Ausarbeitung der Stofflichkeit aufweisen. Doch war dies keine einseitige Beeinflussung. Die für Krug typische, zunehmende monochrome Ausgestaltung seiner Malereien erlangte letztlich in der Grafik ihre vollständige Wirkung. In seinem Spätwerk zeigt sich insbesondere bei der Grafik, dass Krug mit der zunehmenden Beherrschung des Materials auch die Möglichkeit gewann, abstrakter zu arbeiten ohne dem Motiv, häufig das Leipziger Umland, seine Natürlichkeit zu nehmen. Es wiederholen sich Elemente aus der Natur, wie Bäume, Hügel, Flüsse, die er in unterschiedlichen Konstellationen als finales Werk ausarbeitete. Konkrete Anhaltspunkte für eine zeitliche Einordnung bleiben aus. Das wenig gebliebene Figurative hält wenig einfache Sinngriffigkeit für Betrachtende bereit. Die Arbeiten fordern unterschwellig, über das Verbildlichte hinaus Einblick zu erlangen. Durch die fehlende Großformatigkeit bleibt es dem Betrachtenden überlassen, sich auf die Komplexität in diesen Arbeiten einzulassen oder den Blick auf die Naturdarstellung gerichtet zu halten.

Krug zeigt eine erstrebenswerte Verbundenheit mit dem Phänomen Landschaft, was vielleicht für manche seiner Schülerinnen und Schüler in dieser Intensität schon nicht mehr zugänglich war. Trotz der sich regelmäßig wiederholenden Elemente entsteht kein Gefühl von Eintönigkeit, sondern vielmehr der Wunsch selber einen Blick auf die Natur zu werfen. Noch heute spürt man in seinen Arbeiten die Krug innewohnende Leidenschaft. Sie bewahrt die Zugänglichkeit. Diese Leidenschaft zog sich durch seine ganze ansonsten wortkarge Arbeitsweise.

Krug war keine leicht zugängliche Person. Wenn er auch schwer Vertrauen fasste, so war es doch seine Begeisterung für das Material, mit der seine Werkstattleitung überzeugte. Mehr als die nur spärlich überlieferten persönlichen Schriften von Karl Krug berichten ehemalige Schüler und Mitwirkende von seiner Person und Arbeitsweise: Thomas Ranft erlebte in seiner Studienzeit einen vielseitig versierten Lehrer, der seine Leidenschaft auf das Erklären von Techniken und Wirkungsweisen übertragen konnte. Studierenden, deren Arbeiten weniger Beständigkeit im Bearbeiten von Materialien aufwiesen, brachte er aber auch Kommentare spitzen Humors entgegen. Ulrich Hachulla nahm als Schüler die Anfertigung Krugs eigener Grafiken als keine lineare Aktion wahr. Vielmehr beinhaltete seine Arbeitsweise das Aufbewahren und Wiederaufgreifen unterschiedlicher Platten und Materials in unregelmäßigen Zeitabständen bis zur Vollendung, welche nur Krug selbst bestimmen konnte. Die Kunst des Radierens ist nicht im Œuvre von allen Personen zu finden, die mit Krug längere Zeit in künstlerischem Kontakt waren. Doch, so erlebt es Ursula Mattheuer-Neustädt, bleibt noch lange nach der Lehrtätigkeit Krugs die von ihm vermittelte Wertschätzung des Materials und der Technik erhalten.

Der persönliche Spielraum, den Krug durch die Anstellung an der Hochschule gewann, ermöglichte dem Künstler die Aufarbeitung seiner persönlichen Erfahrungen und ihr Einbringen in seine Arbeiten. Die Unbeständigkeit der ersten Hälfte seines Lebens wurde nicht, wie es durchaus in Lebensläufen von Kunstschaffenden zu beobachten ist, durch eine Eintönigkeit in sicheren Jahren ersetzt. Vielmehr entfaltete Krug an der Hochschule für Grafik und Buchkunst eine eindrucksvolle Produktivität, die ihn in Kombination mit seiner Persönlichkeit zu einem geschätzten Bestandteil der Kunstlandschaft Leipzigs werden ließ, ohne dass seine Arbeit je von großen öffentlichen Erfolgen gekrönt war.

Karl Krug starb 1983 in Leipzig. Seine Arbeitsweise und tiefes Verständnis des Materials haben die Einstellung zur Grafik bei vielen Studierenden beeinflusst. Wie in der Ausstellung in der Galerie Irrgang Leipzig zu sehen, sind es diese Erfahrungen mit Karl Krug, welche die grafische Feingliedrigkeit eines Thomas Ranft mit hervorbrachten, oder die eines Rolf Münzner beeinflussten. Die von Krug geschaffene Abstraktion der Motive lässt nun nochmals einen anderen, zeitgenössischen Blick, zu.

Victoria Hilsberg, Leipzig 2018